Eine Frau hält abwägend beide Hände an den Seiten. Über jede Hand ist die Illustration einer Flasche mit Drehverschluss. Die Flaschen haben unterschiedliche Formen.© Deagreez/iStock/Getty Images Plus
Kann man statt Trinknahrung aus der Apotheke nicht auch die aus dem Supermarkt kaufen? Nein, sagen Expert*innen.

Mangelernährung

FRESUBIN® ODER YFOOD®? UNTERSCHIEDE BEI TRINKNAHRUNGEN

Wenn die Zähne drücken oder der Appetit schwindet, kann Trinknahrung helfen. Die Drinks enthalten alle Nährstoffe, die der Körper braucht, damit es zu keinem Mangel kommt. Können Shakes aus dem Supermarkt oder Internet mit Produkten aus der Apotheke mithalten?

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Astronautenkost nennen Kund*innen die Elementardiäten gern, die es in Apotheken in Form von Trinknahrung oder Pudding zu kaufen gibt. Denn in den Produkten stecken alle Nahrungsbestandteile, die der Körper braucht. Nur: Das versprechen seit einigen Jahren auch andere Trinkmahlzeiten.

Mit „Genieße eine vollwertige Mahlzeit“, „Gesunde Ernährung ganz einfach“ oder „Smart Food“ bewerben Hersteller Drinks wie Ehrmann Foodie, Huel® oder YFood®. Das fällt auch Kund*innen auf, die dann in der Apotheke fragen, wo eigentlich der Unterschied liegt.

Für wen ist apothekentypische Trinknahrung gemacht?

Die Ökotrophologin und Diätassistentin Kerstin Bernhardt erklärt: „Medizinische Trinknahrungen sind grundsätzlich für erkrankte Menschen gedacht.“ Bernhardt ist spezialisiert auf die Prävention und Therapie von Mangelernährung. Elementardiäten sollen also denjenigen bei der Ernährung helfen, die Schwierigkeiten haben ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen. Denn in den Produkten sind Nährstoffe und Energie auf wenig Masse konzentriert. Dabei müssen die Anwender*innen nicht erkennbar untergewichtig sein, sondern ein Risiko für einen Mangel haben.

„Das können Sie im Beratungsgespräch gut heraushören“, empfiehlt Bernhardt, die als Dozentin auch Fachkräfte aus- und weiterbildet. Potenziell betroffen sind zum Beispiel Menschen, die nicht gut kauen oder schlucken können. „Dann isst jemand, sage ich mal überspitzt, fünf Stücke Sahnetorte oder trinkt Sahnekakao, um das Gewicht irgendwie zu halten. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass er dann gut ernährt ist.“ Andere trauen sich nicht, viel zu essen, weil sie Schmerzen bekommen.

Konsumierende Krankheiten wie Krebs können ebenfalls Indikation für eine Trinknahrung sein. Bernhardt berät viele Patient*innen mit onkologischen Diagnosen. Auch die Therapienebenwirkungen hindern die Betroffenen am Essen, wenn sie keinen Appetit haben oder unter Übelkeit leiden. Und viele weitere Ursachen können hinter einer Mangelernährung stecken: „Das Feld ist groß“, bestätigt Bernhardt.

Ursachen für Mangelernährung

Zum Beispiel:

  • Dysphagien, also Schluckstörungen
  • Kaustörungen
  • Fehlender Appetit, z.B. bei Senioren
  • Schmerzen nach der Nahrungsaufnahme
  • Konsumierende Krankheiten wie Krebs
  • Nebenwirkungen onkologischer Therapien
  • Rekonvaleszenz nach einer Erkrankung

Wem nutzen YFood® & Co.?

Marktführer im Bereich Smartfood/Trinkmahlzeiten ist YFood®. 2018 sicherte sich Frank Thelen bei „Die Höhle der Löwen“ Firmenanteile für 200 000 Euro, mittlerweile sind zahlreiche weitere Investoren hinzugekommen. 2020 etwa warben die Gründer 15 Millionen Euro ein, unter den Geldgebern waren Risikokapitalgeber, Lebensmittelunternehmen und auch bisherige Anteilseigner. 2023 erwarb Nestlé Anteile an YFood®.

Doch YFood® ist nicht allein auf dem Markt, das Angebot an Trinknahrung ist mittlerweile riesig. Neben Firmen, die allein auf Fertigmahlzeiten setzen, haben auch viele namhafte Lebensmittelhersteller solche Shakes in ihr Sortiment aufgenommen. Selbst Discounter führen entsprechende Drinks unter ihren Eigenmarken. Ehrmann Foodie brachte anlässlich der Herrenfußball-Europameisterschaft 2024 eine Sonderedition heraus: „Popcorn Style“.

Expertin Bernhardt vermutet, dass Trinkmahlzeiten auf der gleichen Welle schwimmen wie Smoothies vor einigen Jahren: „Das kommt immer mehr, dass irgendjemand sagt ‚Du brauchst das hier nur zu trinken, schon hast du eine Mahlzeit intus.‘“ Denn genau das versprechen diese Produkte. Wer keine Zeit hat, sich eine Mahlzeit vor- oder zuzubereiten, braucht nur eine Flasche in die Tasche zu stecken und ist damit rundum versorgt. Statt zu ungesundem Junk- oder Fast Food zu greifen, soll man lieber auf „ausgewogene“ Drinks zurückgreifen. „Da wird ganz viel Lifestyle verkauft. Und Lifestyle ist heute auch: Es muss schnell gehen, es muss einfach sein. Viele Nährstoffe mit gutem Gewissen“, sagt Bernhardt.

Als seltene Alternative zu Junkfood schaden manche solcher Produkte sicher nicht, äußerte Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gegenüber dem Handelsblatt. Sie warnt aber davor, solche Drinks zu sich zu nehmen, um das Gewissen zu beruhigen. Sie können keine vermeintlichen Ernährungsfehler ausgleichen oder ihnen vorbeugen.

Nach der Erfahrung von Ernährungstherapeuten tun sich die Menschen mit diesen Drinks keinen Gefallen, kritisiert Ökotrophologin Bernhardt. Zum einen setzen sie sich nicht damit auseinander, was eine gesunde Ernährung auszeichnet. „Was mache ich dann, wenn ich einmal nicht diese Flasche kaufe? Dann greife ich mittags doch wieder zur Pizza, wenn es schnell gehen muss.“ Außerdem fehlt das Sättigungsgefühl, wenn jemand nur noch trinkt und nicht mehr kaut. Der Körper nimmt unkontrolliert und schnell viele Kalorien auf. Bei der recht eintönigen Geschmacksauswahl drohen zudem Heißhungerattacken.

Das bestätigt auch Lena Jesberg, die YFood ®für das Handelsblatt getestet hat: „Bereits die zweite Flasche ist für mich reines Mittel zum Zweck. YFood® macht mich jetzt schon nicht mehr satt und hat auch mit Genuss wenig zu tun. Ich kippe den Inhalt runter, als wär es ein normales Getränk. Das Verlangen nach weiterer Nahrung legt sich bestimmt bald. Jetzt, nach dem letzten Tropfen dieses Mahlzeitersatzes aber, sehne ich mich nach was Bissfestem. […] Dafür, dass ich mit dem Getränk auf eine leckere Mahlzeit verzichte, erwarte ich aber mehr „Wow“.

Schnelle Shakes selbst machen

Diätassistentin Kerstin Bernhardt empfiehlt für unterwegs einen selbstgemachten Shake aus

  • Buttermilch
  • Banane
  • Haferflocken
  • und, wer mag, Nussmus.

„Das macht satt und kostet nur einen Bruchteil.“

Apotheke vs. Supermarkt: Unterschiede bei den Trinkmahlzeiten

Wir unterscheiden verordnungsfähige Elementardiäten von anderen Trinkmahlzeiten. Damit die gesetzliche Krankenversicherung einen Drink erstattet, muss er der Arzneimittelrichtlinie und der Diätverordnung entsprechen. Die Arzneimittelrichtlinie regelt, welche Art von Produkten verordnungsfähig ist. Die Diätverordnung schreibt die Inhaltsstoffe und deren Mengen vor.

Elementardiäten sind so konzipiert, dass man sie als einzige Nahrungsquelle nutzen kann und trotzdem rundum versorgt ist. Ökotrophologin Bernhardt fasst zusammen: „Wenn man genug davon zu sich nimmt, um eine bestimmte Kalorienmenge zu erreichen, sind gleichzeitig auch alle Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß ausreichend enthalten.“ Eine Ausnahme bilden Spezialnahrungen, denen aus verschiedenen Gründen einzelne Nährstoffe fehlen. Sie sind zum Beispiel bei Malassimilationssyndromen oder Phenylketonurie dennoch verordnungsfähig.

Arzneimittelrichtlinie §19 Abs.3

„Elementardiäten sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung), die – unabhängig von der Molekulargröße – oral zuzuführende Gemische aus Proteinen (auch hochhydrolysierte Proteine), Aminosäuren, Kohlenhydraten, Fetten, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen enthalten, und die als einzige Nahrungsquelle geeignet sind (so genannte Trinknahrung).“

Der Arzt kann also alle Trinknahrungsprodukte verordnen, die

  • Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) sind und bei der überwiegenden Zahl der Indikationen für enterale Ernährung einsetzbar sind,
  • die vollbilanziert sind, d.h. als alleinige Nahrungsquelle geeignet sind und
  • mindestens eine Kilokalorie pro Milliliter enthalten.
  • Darüber hinaus gibt es einige Spezialprodukte, die bei bestimmten Krankheitsbildern verordnet werden können.

Die Trinknahrungen, die außerhalb der Apotheke gehandelt werden, sind hingegen nicht so konzipiert. Deckt man mit ihnen den kompletten Energiebedarf (ernährt sich also ausschließlich von ihnen), sind bestimmte Nährstoffe dennoch über- oder unterdosiert.  Bernhardt meint dazu: „Wenn man da auf die Nährstofftabelle schaut, kann man sich schon fragen: YFood®, why? Warum?“

Zusammensetzung im Vergleich

Anlage 6 der Diätverordnung gibt von Vitamin A bis Zink vor, welche Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente Trinknahrung pro 100 Kilokalorien enthalten muss, um den Tagesbedarf abzudecken. Der Vergleich mehrerer Produkte zeigt: Während verordnungsfähige Trinknahrung die Vorgaben einhält, ist das bei anderen Anbietern nicht so.

Fresubin® 2 KCAL DRINK

ok

Fortimel® Compact 2.4 Schokolade

ok

YFood® Smooth Vanilla

zu viel Phosphor
zu wenig Vitamin D, Thiamin, Niacin, Vitamin B6 und Kupfer
keine Angaben zu Natrium und Fluorid

Ehrmann foodie Vanilla

zu viel Calcium und Phosphor
zu wenig Vitamin D, etwas zu wenig Kupfer,
keine Angabe zu Fluorid

Huel® Vanilla

Zu wenig Riboflavin, Niacin, Vitamin B6, Kupfer und Molybdän,
keine Angaben zu Natrium und Fluorid

Bernhardt sieht einen Grund für die Abweichungen im Eigengeschmack der Nährstoffe. „Wenn ich gezwungen bin, eine Mindestmenge an Eisen zuzugeben, dann schmeckt das Produkt eben metallisch. Ascorbinsäure ist sauer. Das kann man mit Aromen nur in einem bestimmten Maß ausgleichen.“ Muss die Trinknahrung die Vorgaben der Arzneimittelrichtlinie und der Diätverordnung aber nicht erfüllen, können die Hersteller unangenehm schmeckende Bestandteile in geringerem Anteil zugeben.

In der Herstellung kostet eine Flasche 95 Cent, berichteten die YFood®-Gründer bei „Die Höhle der Löwen“.

Für den Geschmack ebenfalls relevant ist der Zuckergehalt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, dass die Energie aus freiem Zucker (also natürlich enthaltenem plus zugesetztem Zucker) nur einen bestimmten Anteil der täglich aufgenommenen Gesamtenergie ausmacht. Konkret senkte die WHO diesen Wert 2022 von zehn auf fünf Prozent.

Wie viel Energie, also wie viele Kalorien der Mensch täglich im Durchschnitt benötigt, hängt von Alter und Geschlecht ab. YFood® rechnet mit 2000 Kilokalorien. Das ist der Wert für Männer über 65 und Frauen zwischen 15 und 19 Jahren, andere Altersgruppen benötigen mehr. Der WHO-Empfehlung entsprechend dürften bei 2000 Kilokalorien täglich 100 Kilokalorien aus Zucker stammen. Da ein Gramm Zucker vier Kilokalorien liefert, entspricht das 25 Gramm Zucker am Tag.

Produkt

Zuckermenge [g] enthalten in einer Flasche

Zuckermenge [g], wenn man so viel Trinknahrung trinkt, dass man 2000 kcal erreicht

YFood® Smooth Vanilla

22

88

Ehrmann Foodie Vanilla

18

80

Huel® Vanilla

4,3

21,5

Fresubin® 2 KCAL Drink Aprikose-Pfirsich

10,6

53

Fresubin® 2 KCAL Drink Champignon, Spargel oder Tomate-Karotte

2,4

12

Fortimel® Compact 2.4 Schokolade

19

129

Zu Trinknahrung beraten

Oftmals sind es Angehörige, die Sorgen über den schlechten Appetit oder das rapide sinkende Körpergewicht ihrer älteren Familienmitglieder äußern. Raten Sie ihnen, diese Beobachtung hausärztlich abklären zu lassen. So bleibt zum einen keine Erkrankung oder Arzneimittelnebenwirkung unentdeckt. Zum anderen ist Trinknahrung erstattungsfähig.

Nach Diätassistentin Bernhardts Erfahrungen verordnen Fachärzt*innen wie Onkolog*innen oder Neurolog*innen Trinknahrung bereitwilliger als Hausärzt*innen. Denn Unterernährung und damit ein schlechter Allgemeinzustand bei der Diagnose Krebs kann bedeuten, dass Therapien ausgesetzt oder abgebrochen oder Operationen verschoben werden müssen. Andererseits belastet Trinknahrung das Budget (wobei Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Januar angekündigt hat, Hausärzt*innen müssten künftig nicht mehr budgetieren).

Patient*innen haben aber einen Anspruch darauf, die nötigen Therapien verordnet zu bekommen (nach § 31 Absatz 1 Satz 2 SGB V). „Das wäre sonst, als würde ich sagen: ‚Sie haben einen hohen Blutdruck, aber ein Medikament bekommen Sie nicht, das ist nicht in meinem Budget drin‘“, vergleicht Bernhardt. Geben Sie Ihren Kund*innen diesen Tipp.

Schließlich ist es auch für die Therapiekosten erheblich, ob man Trinknahrung selbst zahlt oder nur die Zuzahlung und gegebenenfalls einen Eigenanteil aufbringen muss. Hier punktet YFood® jedenfalls nicht: Eine Flasche kostet knapp vier Euro.


Über Kerstin Bernhardt

Die Ökotrophologin und Diätassistentin ist spezialisiert auf den Bereich der Mangelernährung. In ihrer Praxis „Die Ernährungslotsen“ in Köln berät sie Betroffene. Dort leitet sie auch den regionalen BerufsVerband Oecotrophologie. Außerdem gibt Kerstin Bernhardt ihr Wissen als Dozentin, Referentin und Autorin weiter.


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