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Politik

KOPIERSCHUTZ FÜR ARZNEIMITTEL

Die Entwicklung neuer Arzneimittel ist teuer. Innovative Pharmafirmen sind auf Schutz vor Nachahmung angewiesen, um Entwicklungskosten amortisieren zu können. Gleichwohl ist nicht alles patentierbar.

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Amerikanische Gesundheitsökonomen beziffern die Entwicklungskosten für neue Arzneimittel auf bis zu zwei Milliarden Euro. Auch wenn diese Summe ein bisschen hoch gegriffen scheint, ist unstrittig, dass in jedem neuen Medikament ein hoher finanzieller Aufwand für die Entwicklung des Wirkstoffs und für die Erprobung steckt. Deshalb sind innovative Firmen darauf angewiesen, dass sie einen zeitlich befristeten Schutz vor Nachahmung erhalten, um die Ausgaben durch Erträge wieder decken und neue Produkte entwickeln zu können. Hier kommt der gewerbliche Rechtschutz ins Spiel, der unter anderem das Patentrecht umfasst. Dieses verfolgt zwei Ziele: Zum einen belohnt es Patentinhaber durch ein befristetes und räumliche begrenztes Nutzungsmonopol.

Diese Zeit beträgt weltweit einheitlich 20 Jahre. Zum anderen erfüllt es eine wichtige Informationsfunktion und macht technische Erfindungen allgemein zugänglich. Denn die Patentschriften werden veröffentlicht und sind Anreiz für weitere Innovationen. Ohne Patente würden viele Forschungsergebnisse möglichst lange geheim gehalten, damit Mitbewerber das Know how nicht einfach kopieren können Von dieser Transparenz durch das Patentrecht profitieren andere Forscher, Entwickler und Verbraucher gleichermaßen.

Erfindung versus Entdeckung Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. So steht es im Patentgesetz. Die Begriffe „Erfindung“ und „Entdeckung“ werden mitunter verwechselt. „Entdeckt“ wird etwas Unbekanntes, was jedoch bereits existiert und lediglich aufgefunden wird. Als Beispiel sei die Röntgenstrahlung genannt, die Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde. Im Gegensatz dazu betrifft die „Erfindung“ etwas, was bisher nicht da gewesen, also neu (und nicht naheliegend) ist.

In unserem Beispiel etwa ein (technisches) Verfahren beziehungsweise ein Gerät zur künstlichen Erzeugung von Röntgenstrahlen; Radium selbst ist nicht patentierbar. Eine Erfindung (im Sinne des Patentgesetzes) ist also eine angewandte Erkenntnis auf technischem Gebiet. „Neu“ im Sinne des Patentgesetzes bedeutet, dass die Erfindung nicht zum Stand der Technik gehört. Ein Patent wird zudem nur für Erfindungen erteilt, die technisch auch nutzbar sind und einen wirtschaftlichen Wert haben. Ausgeschlossen von einer Patenterteilung sind somit bloße Entdeckungen, nicht realisierbare Ideen (z. B. ein Perpetuum mobile) und wissenschaftliche Theorien (selbst bahnbrechende wie etwa die Relativitätstheorie von Einstein). Darüber hinaus sind aus sozial-ethischen Gründen medizinische Verfahren (z. B. neue OP-Techniken) nicht patentierbar (sehr wohl aber medizintechnische Geräte oder chirurgische Instrumente).

Ein Patent ist im Übrigen keine Erlaubnis, die Erfindung auch tatsächlich zu nutzen. Das Recht zur Nutzung einer Erfindung wird durch andere Gesetze geregelt, im Bereich der Medizin insbesondere durch das Arzneimittelgesetz. Patentierbar an einem Arzneimittel ist neben dem neuen Wirkstoff grundsätzlich auch eine gegebenenfalls spezielle Rezeptur für das Fertigarzneimittel, ein für die Herstellung des Wirkstoffs oder des Medikamentes nötiges Verfahren oder die Anwendung des Medikamentes für bestimmte Indikationen. Entsprechend unterscheidet man zwischen Stoffpatenten, Verfahrenspatenten und Anwendungspatenten. Auf die Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken aufgrund ärztlicher Verordnung erstreckt sich die Patentwirkung jedoch nicht.

Schutzzertifikat und UnterlagenschutzWenn ein neues Arzneimittel nach vielen Jahren intensiver Forschung und Entwicklung endlich den Markt erreicht, sind von den eigentlich vorgesehenen 20 Jahren Patentschutz in der Regel die meisten ungenutzt verstrichen. Denn der Wirkstoff musste frühzeitig patentrechtlich geschützt werden. Deshalb können Hersteller in der EU ein ergänzendes Schutzzertifikat beantragen und das Nutzungsmonopol um maximal fünf Jahre verlängern. Mit dem Ziel die Datenlage für Kinderarzneimittel zu verbessern gibt es zusätzlich sechs Monate für entsprechende pädiatrische Untersuchungen.

Durch Patentschutz und Schutzzertifikat bleiben einem Pharmahersteller im europäischen Markt üblicherweise etwa zwölf Jahre Marktexklusivität. Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Schutz vor Nachahmung, der im Arzneimittelgesetz verankert ist: der sogenannte Unterlagenschutz. Er bewahrt eine Firma davor, dass ihre für die Zulassung eingereichten Unterlagen von anderen Firmen bei Zulassungsanträgen für ihre Generika mitgenutzt werden können. Im Ergebnis führt dies dazu, dass Nachahmerpräparate zu nicht mehr patentgeschützten Originalmedikamenten frühestens zehn Jahre nach der Zulassung für das Original auf den Markt kommen können.

Der kleine Bruder des Patents Der Weg zum Patent ist „steinig“ und teuer. Das Gebrauchsmuster, das sogenannte „kleine Patent“, kann insoweit eine „echte“ Alternative zum Patent sein. Denn technische Erfindungen, die neu sind, sich nicht aus dem Stand der Technik ergeben, ausführbar und gewerblich anwendbar sind, können grundsätzlich auch als Gebrauchsmuster geschützt werden. Während ein Patent vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) nur nach Prüfung (rückwirkend) erteilt werden kann, wird das Gebrauchsmuster lediglich in ein Register eingetragen. Es ist daher wesentlich kostengünstiger und schneller zu erlangen als der „große Bruder“. Dafür ist die Erfindung aber auch nur halb so lange geschützt, nämlich zehn Jahre und die tatsächliche Schutzfunktion zeigt sich erst, wenn ein Dritter die Löschung des Gebrauchmusters beantragt, denn erst dann erfolgt eine umfassende Prüfung. Unliebsame Überraschungen sind dann nicht ausgeschlossen.

Parallelimport erlaubt Schutzfähig sind zudem Marken, um die Urheberschaft zu dokumentieren und sich von Dritten zu unterscheiden. Allerdings kann sich ein Schutzrechtsinhaber – egal ob es sich um ein Patent, ein Gebrauchsmuster oder eine Marke handelt – nicht mehr auf sein Schutzrecht berufen, sobald er die Ware verkauft hat. Denn dann hat die Schutzregelung ihren Zweck erfüllt, nämlich Monopolerlöse zu ermöglichen. Im Arzneimittelbereich können deshalb Patent- und Markeninhaber den Parallelimport nicht verhindern. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Mit dem Argument des freien Warenverkehrs kippte der Europäische Gerichtshof aktuell auch das Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken und trat eine Diskussion über das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln los.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 66.

Dr. Michael Binger, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration

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