Mononukleose
KISSING DISEASE
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Bis zum 30. Lebensjahr haben sich etwa 95 Prozent aller Menschen mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Die akute Infektion mit dem Virus löst das Pfeiffersche Drüsenfieber aus, das nach dem Wiesbadener Kinderarzt Dr. Emil Pfeiffer benannt wurde, der es zuerst beschrieb. Das auslösende Virus wurde jedoch erst 1964 von den englischen Wissenschaftlern Michael Epstein und Yvonne Barr entdeckt.
Verlauf je nach Lebensalter Das Pfeiffersche Drüsenfieber, auch infektiöse Mononukleose genannt, verläuft in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich. Meist infizieren sich Kinder, bei denen die Inkubationszeit zwischen einer und vier Wochen beträgt. Häufig sind die Symptome so schwach, dass die Krankheit unbemerkt vorübergeht. Wenn überhaupt, zeigt sie sich als leichte Rachenentzündung (Pharyngitis).
Im Jugendlichenalter liegt die Inkubationszeit bereits bei vier bis sieben Wochen und die Symptome sind meist stärker ausgeprägt. Sie ähneln einem grippalen Infekt, mit leichtem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Die Lymphknoten am Hals schwellen an, wobei es bei einigen Patienten zu einer Mandelentzündung mit übel riechendem, grünlich-grauem Belag kommt. Je nach Abwehrkraft des Immunsystems halten die Beschwerden einige Tagen bis zu mehrere Wochen an. In der Regel ist die Krankheit nach zwei Monaten ausgeheilt. Danach besteht eine lebenslange Immunität.
Das schlafende Virus Das Epstein-Barr-Virus (EBV) gehört zur Gruppe der Herpesviren. Wie alle diese Viren kann es nach der Erstinfektion lebenslang in den infizierten Wirtszellen ruhen und jederzeit wieder aktiv werden, denn die Infektion verläuft in zwei Phasen. In der ersten dringt das Virus in die Zelle ein, und programmiert sie mit seiner DNS auf die Herstellung neuer Viren um. Diese verlassen die Zelle und können nun weitere Zellen infizieren. In der zweiten Phase „ruht” das Virus unentdeckt von der körpereigenen Immunabwehr in der Wirtszelle und kann jederzeit wieder reaktiviert werden, was meist dann geschieht, wenn das Immunsystem geschwächt ist.
EBV findet sich im Speichel infizierter Personen und wird meist durch intensiven Kontakt, zum Beispiel beim Küssen, übertragen, weshalb die Krankheit auch „Kusskrankheit” (engl. kissing disease) genannt wird. Das Virus befällt Mund, Rachen und Speicheldrüsen, wo es sich in den Epithelzellen vermehrt. Anschließend besiedelt es eine spezielle Gruppe der weißen Blutkörperchen, die B-Lymphozyten. Die dadurch hervorgerufene Immunantwort führt zu den typischen Entzündungen im lymphatischen Gewebe und an den Schleimhäuten. Bei einer Reaktivierung ist der Speichel der Betroffenen wieder infektiös, was aber meist nicht bemerkt wird, da es nicht erneut zu Symptomen kommt.
Erschöpfungszustände Da das Pfeiffersche Drüsenfieber in den meisten Fällen nur leicht verläuft, wird es in vielen Fällen überhaupt nicht diagnostiziert. Allerdings gibt es auch Krankheitsverläufe, die länger dauern. Dabei ist die akute Infektion zwar ausgeheilt, der Organismus nach der viralen Infektion aber noch geschwächt. Wie bei anderen Virusinfektionen auch kann dieser Zustand einige Wochen bis hin zu einem Jahr anhalten. In dieser Zeit ermüden die Betroffenen schnell.
KEINE URSÄCHLICHE THERAPIE?
Eine Behandlung für die Erkrankung gibt es nicht, man kann lediglich die Symptome lindern. Zwar wird an einer Impfung geforscht, doch liegen noch keine befriedigenden Ergebnisse vor. Um die postinfektiösen Erschöpfungszustände so gering wie möglich zu halten und möglichst schnell wieder
leistungsfähig zu sein, ist Schonung für die Betroffenen am wichtigsten. Keine Arbeit, keine körperliche Anstrengung, stattdessen Bettruhe – und das für mindestens drei Wochen.
In sehr seltenen Fällen kann das Pfeiffersche Drüsenfieber einen chronischen Verlauf nehmen. Dann sind die Betroffenen über Jahre hinweg müde und abgeschlagen, haben keinen Appetit, schubweise geschwollene Lymphknoten und Fieberattacken. Die ständige Müdigkeit und die starken Erschöpfungszustände haben psychische Folgen, sodass Betroffene nicht selten unter depressiven Verstimmungen leiden. In seiner chronischen Form ähnelt das Pfeiffersche Drüsenfieber dem Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS).
Diagnose meist nur bei schweren Verläufen Die Krankheit wird häufig erst erkannt, wenn sich die Beschwerden über längere Zeit hinziehen. Für akute Verläufe gibt es zwar einen Schnelltest, der ist jedoch nicht sehr zuverlässig. Außerdem denken die meisten Ärzte bei den Symptomen nicht an eine infektiöse Mononukleose. Besteht jedoch der Verdacht, kann eine Blutuntersuchung Diagnosesicherheit geben. Es zeigen sich veränderte Leberwerte sowie eine Lymphozytenhäufung.
Interessanterweise bewirkt die Stimulierung der B-Lymphozyten durch das Epstein- Barr-Virus, dass unspezifische Antikörper gegen rote Blutkörperchen von Pferden, Rindern und Schafen gebildet werden. Diese Antikörper, die in der zweiten und dritten Krankheitswoche vermehrt auftreten, lassen sich mit dem Paul-Bunnel-Test nachweisen. Natürlich gibt es auch spezifische EBV-Antigene. So produziert der Organismus in der akuten Phase IgM-anti-VCA-Antikörper, die sich gegen die äußere Hülle des Virus richten.
Ab der dritten Woche werden hauptsächlich IgG-anti-VCA-Antikörper gebildet, die ein Leben lang nachweisbar sind. Nach einigen Monaten finden sich außerdem IgG-Antikörper gegen das nukleäre Antigen des Virus (IgGanti-EBNA) im Blut. Eine akute Infektion zeigt sich also an erhöhten IgM-Werten, eine durchgemachte oder länger zurückliegende Infektion an erhöhten IgG- sowie EBNA-Werten.
Gefährlich für Immungeschwächte Da EBV, um zu überleben, auf den Menschen als Reservoirwirt angewiesen sind, infizieren sie die Zellen nur, ohne sie zu töten. Daher verläuft die Krankheit zwar kräftezehrend, meist aber komplikationslos, es sei denn, die Betroffenen haben ein geschwächtes Immunsystem. Dann können Entzündungsprozesse an Lunge, Herz, Nieren oder Gehirn ausgelöst werden.
Anämien gehören ebenfalls zu den häufigen Komplikationen, genau wie Schwellungen von Leber und Milz. Letztere sind besonders gefährlich, da das vergrößerte Organ bei körperlicher Anstrengung leicht reißen kann. Komplikationen sollten immer engmaschig ärztlich betreut werden, in vielen Fällen wird ein Klinikaufenthalt unumgänglich. Bei Menschen mit angeborener Immunschwäche kann das Pfeiffersche Drüsenfieber sogar tödlich enden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/12 auf Seite 78.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist