Wunden, die sich im Mund befinden, heilen sehr schnell ab. © Viktoria Ovcharenko / iStock / Getty Images Plus

Wunden | Schleimhaut

HEILWUNDER MUNDRAUM

Ein Biss auf die Backe oder die Zunge ist schmerzhaft, geht aber meist schnell vorüber. Dann wundert man sich darüber, dass die Verletzungen an der betroffenen Schleimhaut so schnell geheilt sind. Aber warum ist das eigentlich so?

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Jeder von uns hatte schon einmal einen kleinen Kratzer in der Haut. Andere vielleicht sogar eine größere Operationswunde. Egal, welche Art von Verletzung vorliegt, innerhalb weniger Minuten beginnt ein erstaunlicher Heilungsprozess bis sich nach und nach der verletzte Bereich wieder geschlossen hat und die Wundheilung abgeschlossen ist. Für einen besonders guten und schnellen Heilungsprozess steht der Mundraum. Forscher bezeichnen ihn daher auch als Idealtypus der Wundheilung. Den Gegenpart hierzu bildet die Haut, die wiederum oft sehr lange braucht bis sich die Wunde schließt oder es sogar zur Bildung unschöner Narben kommt.

Ein Forscherteam um Ramiro Iglesias-Bartolome vom National Institute of Arthritis and Musculoskeletal and Skin Diseases in Bethesda hat sich daher beide Vorgänge genau angesehen und sich gefragt: Wie unterscheidet sich die Wundheilung im Mund von der auf der Haut? Hierfür wurden vom Forscherteam 30 freiwillige Probanden engagiert, denen kleine Wunden im Mund und am Arm zugefügt wurden. Während des Untersuchungszeitraums von sechs Wochen wurden die unterschiedlichen Wunden beobachtet, Veränderungen protokolliert und zu verschiedenen Zeitpunkten Gewebeproben an den entsprechenden Stellen genommen. Es wurde deutlich, dass die Wunden im Mund deutlich schneller heilen. Nach rund drei Tagen hatte sich das Plattenepithel der Schleimhaut nahezu vollständig erneuert. Bei den Hautwunden allerdings konnte man auch nach sechs Tagen noch deutliche Spuren der Wunde erkennen.

RNA- und Molekularanalysen der Gewebeproben zeigten im Anschluss den Grund für die unterschiedlichen Heilungsprozesse: Die Zellen im Mund zeigten andere Genexpressionsmuster als die der Haut. In der Schleimhaut wurden laut den Wissenschaftlern vermehrt die Transkriptionsfaktoren SOX2, PITX1 und PITX2 exprimiert. Solche DNA-bindenden Proteine können beeinflussen, ob und wie stark bestimmte Gene abgelesen werden. Im Mund der Teilnehmer führte eine solche Hochregulierung dazu, dass die Keratin-bildenden Keratinozyten im Gewebe aktiver waren, antimikrobielle Abwehrmechanismen angekurbelt wurden und die Wunde schneller heilte. Die Forscher konnten feststellen, dass das Transkriptionsprofil im Mund erstaunlicherweise jenem ähnelt, das man auch in der Haut von Schuppenflechte-Patienten findet. Bei Menschen mit einer solchen Hautkrankheit kommt es zu einer Art überschießenden Wundheilung und einer schnelleren Zellerneuerung.

Aus den Ergebnissen ihrer Untersuchung schlussfolgern die Wissenschaftler, dass man künftig bessere Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit schweren Wunden entwickeln könnte. Tierexperimentell konnte bereits gezeigt werden, dass gentechnisch veränderte Mäuse, die in der äußersten Schicht ihrer Haut einen übermäßig aktiven Transkriptionsfaktor SOX2 aufwiesen, eine schnellere Wundheilung zeigten als die Kontrolltiere. „Unsere Arbeit trägt zu einem besseren Verständnis der Biologie der Wundheilung in unterschiedlichen Umgebungen bei und liefert womöglich neue Ansätze für die Therapie chronischer und nicht-heilender Wunden“, erklärt das Team.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de



Originalpublikation
: Ramiro Iglesias-Bartolome (National Institute of Arthritis and Musculoskeletal and Skin Diseases, Bethesda) et al., Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.aap8798

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