Tiere In Der Apotheke
EPILEPSIE IN DER TIERMEDIZIN
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Von einer Epilepsie wird erst nach mindestens zwei Anfällen gesprochen. Nicht jeder epileptische Anfall ist daher mit einer Epilepsie gleichzusetzen. Es handelt sich demnach um eine Gruppe von Störungen mit unterschiedlichen Ursachen, denen das wiederholte Auftreten von epileptischen Anfällen gemeinsam ist.
Idiopathische Epilepsie Diese wird auch als primäre oder vererbte Epilepsie bezeichnet. Diese Form wird bei einigen Rassen wie Collie, Golden und Labrador Retriever sowie Beagle vererbt und auch bei anderen Rassen, wie Schäferhund und Dackel, familiär gehäuft beobachtet. Dies spricht für eine Erbkrankheit. Meist treten die Symptome in einem Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren auf. Je früher die Anfälle auftreten, desto schwerer können sie kontrolliert und therapiert werden. Betroffene Tiere sollten von der Zucht ausgeschlossen werden. Bei Katzen ist eine idiopathische Epilepsie selten.
Symptomatische Epilepsie Die sekundäre oder erworbene beziehungsweise symptomatische Epilepsie kann bei jeder Rasse in jedem Alter vorkommen. Die Krämpfe werden durch andere Grundkrankheiten ausgelöst und beruhen zum Beispiel auf entzündlichen, tumorösen oder degenerativen Prozessen im Bereich des Großhirns. Diese Veränderungen können zahlreiche Ursachen haben, da viele Krankheiten, von denen das Gehirn nicht unmittelbar betroffen ist, im Verlauf zu Stoffwechselstörungen des Gehirns führen und dadurch Krampfanfälle verursachen können. Dazu zählen virale und bakterielle Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Staupe, aber auch Stoffwechselstörungen durch Unterzuckerung, der auf Grund einer Insulinüberdosierung entstehen kann, oder Nieren- und Lebererkrankungen, die eine Enzephalitis zur Folge haben können.
Ebenso beeinflussen bestimmte Gifte das Nervensystem, da dieses wegen seiner hohen Stoffwechselrate besonders anfällig für neurotoxische Substanzen ist. Auch eine Zeckenenzephalitis kann für das Auftreten einer Epilepsie verantwortlich sein und nicht zuletzt auch ein Schädeltrauma. Vor allem bei Unfalltieren wird häufig eine posttraumatische Epilepsie festgestellt, die oft erst Monate oder Jahre nach dem Ereignis in Erscheinung tritt. Krampfanfälle direkt nach dem Trauma werden dagegen selten gesehen.
Krampfanfälle zeigen sich in unterschiedlicher Weise Es kann sich um milde Anfälle ohne Bewusstseinsverlust handeln. Einziges Zeichen eines solchen Anfalls kann eine Unaufmerksamkeit von fünf bis zehn Sekunden Dauer oder ein kurzes Zucken sein, sodass den Besitzern möglicherweise gar nichts auffällt. Meistens werden jedoch tonisch-klonische Krampfanfälle (Grand mal-Anfälle) beobachtet. Diese Anfälle bestehen aus vier Phasen: Das Prodromalstadium ist die Phase vor dem Anfall, die sich durch Angst oder Ruhelosigkeit darstellt. Mit der Aura beginnt der Anfall, beispielsweise mit Speicheln und Pupillenveränderungen. Der Iktus ist der eigentliche Anfall, der durchschnittlich zwei bis fünf Minuten betragen kann. Die Postiktale Phase ist die Phase nach dem Anfall, die sehr kurz sein kann oder mehrere Tage andauert, und die sich in Aggressivität, Angst und Blindheit äußern kann.
Die Abstände zwischen den einzelnen Anfällen können zwischen Sekunden und Jahren schwanken. Die generalisierte Epilepsie beginnt plötzlich mit mehr oder weniger gestörtem Bewusstsein. Die Tiere stürzen nieder und es entwickeln sich rhythmische Krämpfe, vor allem der Kopf- und Gliedmaßenmuskulatur, mit Ruderbewegungen, die von Zungenbeißen, Schaumbildung, Kot- und Urinabsatz begleitet sein können. Auch Schwanz jagen, Fliegen schnappen, Anbellen von (fiktiven) Gegenständen, „Ins-Leere-Starren“ und plötzliche Aggression werden beobachtet, wobei die Abgrenzung zu Verhaltensproblemen schwierig sein kann. Die Dauer dieser Krampfanfälle variiert: Bereits nach wenigen Minuten erschlafft der Körper und das Tier erhebt sich wieder. Anschließend ist es oft noch benommen, desorientiert und nicht ansprechbar. Ein Grand mal kann sich jedoch auch über 15 Minuten und mehrere Stunden hinziehen oder sich mehrmals am Tag wiederholen. Die Anfallshäufigkeit ist von Tier zu Tier sehr unterschiedlich, ebenso die Intensität.
Status epilepticus Ein Status epilepticus ist eine Serie von Anfällen, in denen das Tier das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Dabei handelt es sich um einen Notfall, da Anfälle, die länger als 20 Minuten dauern, Nervenschädigungen verursachen. Der betroffene Patient muss sofort stabilisiert und der Anfall durch die Gabe von Sauerstoff und Infusionen kontrolliert werden.
Aufwendige Diagnostik Da zahlreiche Krankheiten als mögliche Ursache für epileptische Anfälle in Frage kommen, muss der betroffene Hund nach einem Anfall gründlich klinisch-neurologisch untersucht werden. Wenn der Befund keine Auffälligkeiten zeigt und nur ein Anfall vorgekommen ist, kann zunächst abgewartet werden. Weitere Untersuchungen oder eine Therapie sind nicht erforderlich. Entsprechen die Untersuchungsergebnisse jedoch nicht der Norm oder treten Anfallsserien auf, müssen für die Diagnosestellung eine ausführliche Blutuntersuchung, Röntgen, Ultraschall, EKG und gegebenenfalls ein EEG durchgeführt werden. Das EEG ist die einzige Methode, mit der ein Anfall objektiv nachgewiesen werden kann. Die zugrunde liegende Ursache kann damit jedoch nicht ermittelt werden. Das EEG ist daher ausschließlich eine ergänzende Untersuchung. Darüber hinaus werden die Computertomographie oder die Magnetresonanztomographie für die weiterführende Diagnostik eingesetzt.
Antikonvulsive Therapie Antiepileptika beziehungsweise Antikonvulsiva können Epilepsie nicht heilen, die Entstehung von Anfällen jedoch unterdrücken. Der Therapieerfolg ist umso besser, je früher mit der Behandlung begonnen wird, je weniger Anfälle der Patient hat und je älter er zum Zeitpunkt des ersten Anfalls ist. Ein Drittel der Patienten wird durch rechtzeitige Behandlung anfallsfrei, bei einem weiteren Drittel nimmt die Anzahl der Anfälle ab; die Anfälle sind insgesamt kürzer und schwächer. Bei den restlichen Patienten lassen sich die Anfälle überhaupt nicht beeinflussen. Diese therapieresistenten Hunde haben ein bestimmtes Gen, das „multi-drug-resistance-gene“, das verschiedene Wirkstoffe, auch Antiepileptika, sofort wieder aus der Nervenzelle ausschleust. Am Wirkort wird der Wirkstoffspiegel dadurch niemals ausreichend hoch sein. Bei Tieren mit erworbener Epilepsie steht die Behandlung der Grundkrankheit im Mittelpunkt, die antikonvulsive Therapie wird aber begleitend durchgeführt.
Mittel der Wahl Phenobarbital wird am häufigsten zur Behandlung von Krampfanfällen bei Hunden und Katzen eingesetzt. Diese Substanz wird über die Leber ausgeschieden, ist jedoch für die Leber nicht toxisch. Auch bei Patienten mit relativ hoher Anfallsfrequenz werden damit generell schnell Erfolge erzielt. Bei Patienten mit bestehender Lebererkrankung empfiehlt sich die Gabe von Kaliumbromid, da dieser Wirkstoff über die Nieren ausgeschieden wird. Kaliumbromid eignet sich aber nicht für Patienten mit häufigen epileptischen Anfällen. Die Dosis muss für jeden Patienten individuell angepasst werden. Bis ein Patient richtig eingestellt ist, können oft einige Monate vergehen. Entscheidend ist die richtige Mischung zwischen Dosis, Wohlbefinden und dem Therapieerfolg, sprich der Anfallshäufigkeit.
Phenobarbital kann frühestens sechs Monate nach einer anfallsfreien Zeit langsam ausgeschlichen werden. Wird kein ausreichender Therapierfolg erzielt, sollte kein verfrühter Wechsel oder ein abrupter Präparatewechsel erfolgen, ohne das erste Medikament erst auszuschleichen Wichtig ist auch, den Wirkstoffspiegel regelmäßig überprüfen zu lassen, denn nur dadurch ist eine optimale Einstellung und somit ein Therapieerfolg möglich. Für Hunde gibt es mit dem Wirkstoff Imepitoin eine Alternative zu Phenobarbital, die sich durch schnelleren Wirkungseintritt und höhere Verträglichkeit auszeichnet.
Im Falle eines Anfalls Nicht eingreifen, sondern abwarten, bis der Anfall vorüber ist, denn krampfende Tiere können beißen. Spitze Gegenstände aus der Nähe eines krampfenden Tieres wegen der Verletzungsgefahr entfernen. Nach Rücksprache mit dem Tierarzt kann nach einem Anfall Diazepam einmalig als Zäpfchen verabreicht werden. Einen Anfallskalender führen: Darin werden Datum, Dauer, Schwere des Anfalls notiert, was den Behandlungserfolg objektiv erkennbar macht.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/17 ab Seite 110.
Dr. Astrid Heinl-Zapf, Tierärztin