Drei Pflanzen
DREI MIT KÖPFCHEN
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Während Arnika und Huflattich alte Heilpflanzen und gute Bekannte in der Apotheke sind, ist Topinambur eine noch eher unbekannte Kulturpflanze, die sich zum Verzehr eignet, aber auch gesundheitliche Wirkungen aufweist.
Klassisches WundmittelAls Korbblütler weist Arnika (Arnika montana L.) die für die Familie der Asteraceae typischen aus Röhren- und Zungenblüten zusammengesetzten Blütenkörbchen auf. Die dottergelben Blüten erscheinen von Juni bis August und stehen einzeln oder zu mehreren am Ende des kreuzgegenständig beblätterten, behaarten Blütenstängels. Dieser erhebt sich bis zu 60 Zentimeter (cm) hoch aus einer vier- bis sechsblättrigen flach am Boden wachsenden Rosette. Einst wuchs die krautige Pflanze überwiegend auf sonnigen Bergwiesen alpiner Regionen. Darauf verweist sowohl die Artbezeichnung montana (lat. montanus = Bergbewohner) als auch der volkstümliche Name Bergwohlverleih. Inzwischen ist die in Deutschland unter Naturschutz stehende Heilpflanze in freier Natur nur noch selten anzutreffen.
Die Bestände für die arzneiliche Nutzung stammen zumeist aus dem Feldanbau. Bereits im Mittelalter war Arnika als Heilpflanze verbreitet, allerdings vorwiegend zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden oder als Abortivum. Daher stammt auch ihr bekanntes Synonym Mutterkraut. Zur Behandlung von Wunden und Prellungen nach Stürzen fand Arnika zunehmend unter den Namen Wund- oder Fallkraut in den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts Beachtung. Während früher Zubereitungen aus Arnikablüten sowohl innerlich als auch äußerlich zum Einsatz kamen, ist heute aufgrund des toxischen Potenzials der Pflanze nur der externe Gebrauch üblich. Ausnahme ist die innerliche Anwendung in der Homöopathie (ab D4), wo Arnika der Klassiker bei Verletzungen und traumatischen Störungen verschiedenster Art ist.
Auch phytotherapeutisch ist Arnika ein Mittel für Verletzungs- und Unfallfolgen. Zudem hat es sich bei rheumatischen Muskel- und Gelenkbeschwerden sowie bei Furunkelbildung in Folge von Insektenstichen, oberflächlichen Venenentzündungen und bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum bewährt. Die Wirkung der Arnikablüten ist hauptsächlich auf Sesquiterpenlactone (Helenalin, Dihydrohelenalin) und ihre Ester zurückzuführen, die analgetische, antiseptische und antiphlogistische Eigenschaften besitzen. Allerdings sind sie auch für toxische Effekte (gastrointestinale Beschwerden, Schädigungen des Herzens) verantwortlich. Zudem können bei äußerlicher Applikation Hautirritationen und Kontaktdermatitiden auftreten, die auf Helenalin und seinen Ester beruhen.
Alte Schleimdroge Bereits zwischen Februar und April kündigen die leuchtend gelben Blütenköpfchen des Huflattichs (Tussilago farfara L.) die warme Jahreszeit an. Der Frühblüher aus der Familie der Korbblütler lockt mit seinem Honigduft Bienen und andere Insekten herbei, für die Tussilago farfara L. zu den ersten Nahrungsquellen im Jahr zählt. Landwirte sind häufig nicht so von der genügsamen Pflanze begeistert, da sie mit ihrem waagerecht wachsenden Wurzelstock große Ackerflächen durchzieht, wodurch sie zu einem kaum zu bekämpfenden Unkraut wird. Die Blütenköpfchen des Huflattichs sind größer als die der Arnika und sitzen einzeln auf den zur Blütezeit mit grünen bis rötlichen Schuppenblättern bedeckten Stielen. Aus der Blüte entwickeln sich mit einer Haarkrone (Pappus) versehene Früchte (Achänen), die an die Pusteblumen des Löwenzahns erinnern.
Erst nach der Blüte werden die ausschließlich grundständigen, lang gestielten, grob gezähnten Blätter ausgebildet. Ihre herzförmig-rundliche Form ähnelt einem Pferdehuf, worauf die erste Silbe des deutschen Namens Huflattich sowie auch die Volksnamen Hufblatt oder Rossfuß Bezug nehmen. Die zweite Silbe geht auf das lateinische lapaticum zurück, womit im Allgemeinen großblättrige Pflanzen und hier im Speziellen die bis zu handtellergroßen Huflattichblätter bezeichnet werden. Sowohl die Blätter als auch die Blüten gehören mit ihren Schleimstoffen seit alters her zum Arzneischatz gegen Husten, vor allem gegen Reizhusten.
Auf die Verwendung des Korbblüters als Hustenmittel deuten sowohl volkstümliche Namen wie Brustlattich als auch der Gattungsname Tussilago hin. Er stammt vom lateinischen tussis = Husten und agere = vertreiben und bedeutet damit so viel wie „ich vertreibe den Husten“. Allerdings hat die Droge in den letzten Jahren an Bedeutung verloren, da sich kanzerogene und mutagene Wirkungen der enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide (PA) zeigten. Inzwischen werden aber auch PA-freie Huflattichsorten gezüchtet, aus denen Frischpflanzenpresssäfte hergestellt werden, die bedenkenlos sind.
Die Topinambur-Knolle ist besonders für Diabetiker als Nahrungsmittel geeignet.
Exotische Knolle Auch die ursprünglich aus Nord- und Mittelamerika stammende mehrjährige Topinambur (Helianthus tuberosus L.) ist ein Korbblütler, der sich durch sonnengelbe Blütenkörbchen auszeichnet. Die zwittrigen Blüten sitzen in den Achseln der oberen Laubblätter und erreichen einen Durchmesser von vier bis acht Zentimetern. Die Blüten erscheinen, wenn eine bestimmte Tageslänge unterschritten wird (Kurztagspflanze). Daher blüht sie bei uns erst im Herbst, wenn die Tage kürzer werden. Als Frucht bilden die Blüten Achänen aus, in denen allerdings aufgrund der späten Blütezeit in Mitteleuropa in der Regel keine Samen ausreifen. Die Pflanze ist sehr anspruchslos und verwildert in Mitteleuropa häufig.
Sie kann sich ähnlich wie andere neueingebürgerte Pflanzen (Neophyten) stark ausdehnen und heimische Pflanzen verdrängen. Mit Wuchshöhen von bis zu vier Metern ist Topinambur sehr imposant. Ebenso auffällig sind die etwa handtellergroßen, eiförmig-lanzettlichen Blätter, die an den aufrechten, verzweigten Stängeln sitzen. Sie sind ebenso wie die Stängel rau und behaart. Helianthus tuberosus L. vermehrt sich vegetativ mit ihren Wurzelknollen, die sich im Juli und August an den unterirdischen Ausläufern bilden. Auf die Wurzelknollen macht auch der lateinische Artname tuberosus aufmerksam, der knollig bedeutet.
Die kartoffelgroßen Knollen sind birnen- bis apfelförmig und essbar. Daher ist Topinambur auch unter den Synonymen Erdbirne, Erdapfel oder Indianerkartoffel bekannt. Ihre Haut ist im Gegensatz zu der Kartoffelschale aber fein und dünn, sodass die Knollen optisch auch an Ingwer erinnern. Bei den Ureinwohnern des heutigen Kanadas waren die Knollen bereits in der vorkolumbianischen Zeit ein Grundnahrungsmittel. Französische Siedler brachten die exotische Pflanze Anfang des 17. Jahrhunderts schließlich in ihre alte Heimat, wo sie schnell zur Delikatesse des Adels wurde. Lange Zeit war Topinambur in ganz Europa ein wichtiges Nahrungs- und Futtermittel. Allerdings erhielt sie Mitte des 18. Jahrhunderts Konkurrenz von der Kartoffel, da diese ertragreicher und besser lagerfähig ist.
Aus der deutschen Küche war Topinambur schließlich lange Zeit verschwunden. Inzwischen stehen die kalium- und vitaminreichen Knollen (z. B. verschiedene B-Vitamine, Vitamin C) wieder häufiger auf dem Speiseplan. Sie sind besonders für die Ernährung von Diabetikern geeignet, da enthaltenes Inulin den Blutzuckerspiegel nicht beeinflusst. Zudem wird Inulin als Mehrfachzucker nicht verdaut und wirkt somit als präbiotischer Ballaststoff. Auf diese Weise unterstützt der Verzehr der Topinambur-Knollen den Aufbau einer gesunden Bakterienbesiedlung im Darm (z. B. mit Bifidobakterien). Zugleich sorgt der hohe Ballaststoff-Anteil für eine lange Sättigung.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 52.
Gode Chlond, Apothekerin