Eine junge Frau umsorgt einen kranken jungen Mann.
Was oft als "Männergrippe" verulkt wird, geht darauf zurück, dass Männer ein schwächeres Immunsystem haben - wie es sich auch in den Corona-Fallzahlen zeigt. © Jovanmandic / iStock / Getty Images Plus

Immunantwort | Männer und Frauen

ZWEI DRITTEL DER COVID-19-VERSTORBENEN SIND MÄNNLICH

Frauen sind das stärkere Geschlecht – zumindest was die Immunantwort in Bezug auf das neue Coronavirus betrifft. Männer erkranken schwerer und müssen häufiger auf Intensivstationen behandelt werden.

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Generell gilt: Während Männer anfälliger für verschiedene virale Infektionen sind, erkranken Frauen häufiger an Autoimmunerkrankungen und reagieren stärker auf Impfstoffe. Das ist wohl einer der Gründe, warum es weit mehr Männer unter den Covid-19-Toten gibt als Frauen – laut Robert-Koch-Institut sind zwei Drittel der Verstorbenen männlich.

Es ist schon länger bekannt, dass schwere Verläufe von Infektionskrankheiten wie Hepatitis B oder Tuberkulose eine höhere Mortalität beim männlichen Geschlecht aufweisen. Doch woran liegt das? Eine Vermutung war bisher, dass das Immunsystem der Frauen bis zu den Wechseljahren aktiver und stärker ist. Aus evolutionärer Sicht macht das Sinn, denn Frauen sollen das ungeborene Leben schützen. Dafür sind sie häufiger von Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto, rheumatischen Erkrankungen, Multipler Sklerose oder Typ-1-Diabetes betroffen als Männer.

Da sich einige dieser Unterschiede erst in der Pubertät entwickeln, vermuten Forscher, dass auch Sexualhormone daran beteiligt sind, wie stark oder schwach eine Immunantwort ausfällt.

Männer haben ein X- und ein Y-Chromosom, Frauen zwei X-Chromosome. Viele Gene, die das Immunsystem regulieren, liegen ausschließlich auf dem X-Chromosom. Der alte Glaube, dass das zweite X-Chromosom bei Frauen komplett inaktiv ist, ist mittlerweile widerlegt. Heute weiß man, dass Immunzellen bei Frauen Gene auf beiden X-Chromosomen ablesen können. Dadurch steht ihnen ein vielfältigeres Spektrum an Abwehrmechanismen zur Verfügung, was die effektivere Reaktion des weiblichen Immunsystems erklären könnte. Zudem kann bei Frauen der Ausfall von einem Gen auf dem anderen X-Chromosom kompensiert werden. Es liest dann einfach die Informationen des daneben liegenden Gens ab.

Das Y-Chromosom des Mannes ist hingegen vor allem für die Produktion von Testosteron zuständig. Frauen verfügen über weniger Testosteron, dafür haben sie mehr Estrogen. Letzteres stimuliert die Immunantwort und regt die Vermehrung von spezifischen Abwehrzellen an.

Das aktiviere weibliche Immunsystem sollte auch bei Impfungen berücksichtigt werden. Die körperliche Impfantwort von Frauen fällt im Durchschnitt heftiger aus; manchmal reichen bei ihnen niedrigere Impfdosen, um einen Schutz hervorzurufen. Vermutlich hält auch ihre Immunität länger an als die der Männer.

Bei Covid-19 ist noch unklar, was die unterschiedlichen Verläufe bei Männern und Frauen auslöst. Schon in der ersten Phase, in der sich das Virus im Körper stark vermehrt, könnte ein starkes Immunsystem diese Vermehrung deutlich abbremsen. Die Symptome sind dann schwächer und zeigen sich als Husten oder Fieber. Bei einigen Patienten entwickelt sich daraufhin eine Lungenentzündung. Diese kann eine Beatmung auf der Intensivstation erforderlich machen – auch steigt das Risiko für einen tödlichen Ausgang. Wissenschaftler vermuten, dass eine starke initiale Immunantwort bei Frauen öfter verhindert, dass sie in diese zweite Phase eintreten.

Weitere Studien, wie das Zusammenspiel aus Geschlecht, Hormonen und Genen die Verläufe von Krankheiten und die Anfälligkeiten dafür beeinflusst, sind wünschenswert. Möglicherweise könnten sich auch neue Ansätze für eine Therapie mit Hormonantagonisten ergeben.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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