Wirkstoffe – historisch beleuchtet

B WIE BARBITURATE

Die heute weitgehend obsoleten Barbiturate gehören zu den Arzneimittelklassikern. Den Namen prägte Adolf von Baeyer, der seine Entdeckung nach seiner Geliebten genannt haben soll.

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Tatsächlich existieren verschiedene Geschichten darüber, wie die 1863 durch Kondensation von Harnstoff mit Malonsäure zum entsprechenden Dilactam synthetisierte Substanz Malonylharnstoff den Namen „Barbitursäure“ erhalten haben soll. Einige Quellen beziehen sich auf die Alchemistin Barbara von Cilli , andere auf die „heilige Barbara“ von Nikomedien (3. Jahrhundert n. Chr.). Die wahrscheinlichste Variante ist jedoch, da Richard Martin Willstätter (1872–1942), Schüler des deutschen Chemikers Adolf von Baeyer (1835 –1917) hierüber berichtet, dass sein Lehrer seine Entdeckung nach seiner damaligen Liebe zu einem Fräulein Barbara benannt hat.

Nomen est omen Die synthetisierte Barbitursäure selbst zeigte jedoch noch keine schlafanstoßende Wirkung. Ausgehend von dieser Verbindung stellte von Baeyers Schüler Emil Fischer (1852 –1919), angeregt durch den Hallenser Mediziner Joseph von Mering (1849–1908) im Jahr 1903 Diethylbarbitursäure her, die hypnotische Wirkung zeigt. Sie kam noch im gleichen Jahr als „Veronal“ in den Handel. Auch um die Entstehung dieses Namens ranken sich Legenden: So sollen Fischer und von Mering das Schlafmittel selbst erstmals auf einer gemeinsam unternommenen Bahnreise nach Verona eingenommen haben. Andere Autoren führen die Bezeichnung eher auf den Schlaftrunk der „Liebenden von Verona“, Romeo und Julia, zurück.

Barbitursäurederivate waren für viele Jahrzehnte die Schlafmittel schlechthin. 1905 synthetisierten Fischer und von Mering Dipropylbarbitursäure („Proponal“), eine im Vergleich zu Diethylbarbitursäure doppelt so stark wirksame Verbindung. 1912 folgte Phenylethylbarbitursäure (Phenobarbital, „Luminal“), diese wurde wegen ihrer zusätzlichen antikonvulsiven Eigenschaften auch als Antiepileptikum eingesetzt. 1932 entwickelte der Pharmakologe Hellmut Weese (1887–1954) Hexobarbital, das wegen seines schnellen Wirkungseintrittes als Ein- und Durchschlafmittel, aber auch als Injektionsnarkotikum weite Verbreitung fand.

Schleichend obsolet Wegen langen Nachwirkungen nach der Einnahme, einer sehr geringen therapeutischen Breite, der Gefahr von beabsichtigter oder unbeabsichtigter Überdosierung mit Kreislaufversagen und zentraler Atemlähmung sowie dem hohen körperlichen und psychischen Gewöhnungs- und Abhängigkeitspotenzial wurden Barbiturate nach dem zweiten Weltkrieg immer zurückhaltender verordnet und nach und nach durch neue Hypnotika verdrängt. Seit 1992 ist in Deutschland kein Barbitursäurederivat mehr als Schlafmittel zugelassen.

Aufgrund ihres hohen Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzials werden die meisten Barbiturate heute auch nicht mehr hergestellt. Als Antiepileptika (Phenobarbital) und Narkotika (Thiopental) sind einige Barbiturate allerdings unverzichtbar. Allerdings fungieren sie hier meist nur noch als Medikamente zweiter oder gar dritter Wahl und werden vorwiegend bei Patienten angewandt, die unzureichend auf die standardmäßigen Therapeutika ansprechen. Die therapeutisch noch eingesetzten Barbiturate unterliegen bis auf wenige Ausnahmen in Deutschland der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (BTM) beziehungsweise der Betäubungsmittel- Verschreibungsverordnung (BTMVV). In den USA sind schnell wirksame Barbiturate in Kombination mit anderen Wirkstoffen manchmal noch als Grundlage einer Hinrichtung mittels „Todesspritze“ im Einsatz.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/11 auf Seite 20.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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