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Listeriose

ANSPRUCHSLOSE KEIME

Eine Listeriose ist eine vergleichsweise seltene Infektionskrankheit, die durch engen Kontakt mit Tieren sowie durch kontaminierte tierische oder pflanzliche Nahrungsmittel verursacht wird.

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Zwar erscheinen einige andere Infektionskrankheiten weit weniger bedrohlich als eine Infektion mit Covid-19, dennoch sollten wir nicht vergessen, dass es auch andere Krankheitserreger gibt. Bei Listerien handelt es sich um stäbchenförmige, grampositive Bakterien, die nur geringe Anforderungen an ihre Nährstoffversorgung haben. Hinzu kommt, dass sie recht widerstandsfähig sind und durch Umwelteinflüsse wie Salz, Säuren oder Sauerstoffmangel nicht geschädigt werden. Auch bei Kühlschranktemperaturen findet eine Vermehrung der Listerien statt, im Tiefkühlgerät überleben die Bakterien ebenfalls, vermehren sich jedoch nicht. Die häufigste Bakterienart ist Listeria monocytogenes, sie befindet sich in fast allen mit Erde oder Staub kontaminierten Lebensmitteln.

Kontaminierte Speisen Listerien sind weltweit verbreitet und kommen nahezu überall vor, wie etwa in der Erde, in Abwässern, auf Pflanzen, im Tierkot oder -futter. Beim Melken oder beim Schlachten können sie in Lebensmittel gelangen, sodass oft vom Tier stammende Nahrung betroffen ist. Häufig sind es Pasteten, rohe Milch, Wurst, Aufschnitt, Weichkäse, Salate, Rohmilchprodukte, Räucherfisch, Sauermilch-, Schafs- und Ziegenkäse, die kontaminiert sind. Kritische Speisen sind auch Tee- oder Mettwurst, Mayonnaise sowie Geflügelfleisch. Trotz der Verbreitung der Listerien ist die Zahl der Erkrankungen recht niedrig, allerdings stieg die Zahl der Fälle in letzter Zeit weltweit sowie in Europa deutlich an. Problematisch ist, dass die Symptome gelegentlich erst nach bis zu 70 Tagen erscheinen und der Ursprung der Infektion dann kaum noch ermittelt werden kann. Der rechtzeitige Rückruf der kontaminierten Produkte ist dann nicht mehr möglich.

Von harmlos bis lebensgefährlich Gesunde Menschen, die sich infizieren, erkranken häufig gar nicht oder die Infektion verläuft harmlos. Gelangen viele Erreger in den Organismus, leiden Betroffene unter Durchfall oder Fieber. Eine Listeriose äußert sich auch durch grippeähnliche Symptome und kann bei schweren Verläufen zu Blutvergiftungen und Hirnhautentzündungen führen. Dies betrifft in der Regel Immunsupprimierte, ältere Menschen, Personen mit Vorerkrankungen oder Kleinkinder.

Schwangere sollten auf Rohmilchprodukte, rohe Fleisch- und Wurstwaren sowie Roheispeisen verzichten.

Fehl-, Früh- oder TotgeburtenBei Schwangeren gilt die Listeriose als sehr gefährlich, da sie Schädigungen des ungeborenen Kindes zur Folge haben kann. Die Weitergabe der Erreger von der Mutter auf das ungeborene Kind erfolgt über die Plazenta, durch Schmierinfektion von der Scheide oder vom After sowie bei der Geburt über eingeatmetes Fruchtwasser. Je früher der Fötus mit den Bakterien in Berührung kommt, desto geringer sind seine Überlebenschancen. Findet die Infektion im letzten Schwangerschaftsdrittel statt, überlebt das Kind meist, kommt allerdings häufig zu früh auf die Welt. Übertragen sich die Listerien während der Geburt auf das Baby, treten in den ersten Lebenstagen oder -wochen meist Symptome bei dem Neugeborenen auf. Die Erkrankung macht sich durch Sepsis, Lungen- oder Hirnhautentzündungen bemerkbar und geht mit einer schlechten Prognose einher – etwa ein Drittel der Säuglinge verstirbt an der Infektion.

TherapieBestätigt sich der Verdacht auf eine Listeriose, benötigen Betroffene ein Antibiotikum. Grundsätzlich setzt man bei einer Listeriose Aminopenicilline ein, Mittel der Wahl sind die Wirkstoffe Ampicillin und Amoxicillin. Sie gehören zur Gruppe der Beta-Lactam-Antibiotika und heften sich an Proteine wie die Transpeptidase. Das Enzym gewährleistet normalerweise die Vernetzung der Glykopeptide der bakteriellen Zellwand. Durch die Hemmung der Transpeptidase wird die Zellwand instabil und das Bakterium platzt schließlich. Die Antibiotika verfügen somit über einen bakteriziden Effekt. Ampicillin darf auch während der Schwangerschaft verordnet werden, da es keine Schäden beim ungeborenen Kind hervorruft. Auch in der Stillzeit ist der Einsatz von Ampicillin ohne Bedenken möglich.

Prophylaktische Maßnahmen„Peel it, cook it or leave it“ lautet das Motto, wenn man im Ausland vor einer Infektion mit Listerien verschont bleiben möchte. Der sicherste Schutz vor einer Infektion ist das Erhitzen der Lebensmittel – nicht nur auf Reisen. Grundsätzlich sollte man Nahrungsmittel im sauberen Kühlschrank lagern, vor dem Verzehr waschen und nicht zu lange aufbewahren. Insbesondere Gemüse reinigt man am besten gründlich und lagert es nicht mit rohem Fleisch zusammen. Sind Hände, Messer oder Flächen mit rohem Fleisch oder Gemüse in Kontakt gekommen, sollten sie gründlich gereinigt werden. Für Schwangere empfiehlt es sich, generell auf rohes Fleisch, rohen Fisch sowie auf unpasteurisierte Milch und Milchprodukte aus Rohmilch zu verzichten.

Gefährlicher Keim gefundenIn China wurde im vergangenen Jahr ein hochvirulenter Erregerstamm des Lebensmittelkeims entdeckt, der als aggressivste Variante unter den bisher bekannten gilt. Diese Listerienart fand man bislang nur bei Schafen und Ziegen, sie könnte allerdings über die Nahrungskette auch Menschen infizieren. Der neue Listerienstamm kombiniert die Virulenzmerkmale verschiedener pathogener Listerien-Arten. Experimente mit Mäusen deuteten darauf hin, dass die Bakterien effektiv in die Zellen des Darms gelangen und rasch auch weitere Organe wie die Leber, die Milz oder die Lymphknoten im Bauchraum befallen. Problematisch ist außerdem, dass der Keim von den klassischen Listerien-Tests nicht erfasst wird.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 24.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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