Immunologie | Medizingeschichten
14. MÄRZ 1854: PAUL EHRLICH WIRD GEBOREN
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Sein Vater produziert Likör, ist wohlhabend, lässt den eigenbrötlerischen Sohn studieren. Der fällt schon in der Kindheit durch seine Experimentierfreudigkeit auf: Die beiden weißen Lieblingstauben seiner Mutter färbt er mit Anilinblau ein, was für einigen Stress in der Familie gesorgt haben wird. Chemie interessiert ihn, nicht aber Deutsch und Latein. Seine Schulzeit empfindet er als „drückende Last“. Und in der Bibliothek seines gebildeten Großvaters liest er alle naturwissenschaftlichen Werke, die er bekommen kann.
Er studiert Medizin, ist aber nur mit halbem Herzen bei der Sache. Seine Leidenschaft gilt dem Labor. Er erkennt früh die Möglichkeiten, die sich aus der Anfärbung von Gewebe ergeben, und, daraus folgend, die Synthese von Medizin, Chemie und Biologie. Er verbringt so viel Zeit zwischen Bunsenbrenner und Erlenmeyerkolben, dass seine Kommilitonen witzeln:
Ehrlich färbt am längsten.
Dieses zweifelhafte Lob geht als geflügeltes Bonmot in die Medizingeschichte ein: Denn Paul Ehrlich, der strebsame, menschenscheue Forscher, erhält für seine emsige Arbeit 1903 die preußische Wissenschaftsmedaille, 1908 zusammen mit Ilja Metschnikow den Nobelpreis.
Forschung an Tuberkelzellen
1878 wird Ehrlich Assistenzarzt, später Oberarzt an der Berliner Charité. Sein Chef fördert ihn und lässt ihn nach Herzenslust im Labor forschen. So erkennt der junge Wissenschaftler mit seinen Färbemethoden, dass die kurz zuvor von Robert Koch entdeckten Tuberkelbazillen säurefest sind, was einen wichtigen Nachweis darstellt. Bei den Arbeiten infiziert er sich mit einer leichten Lungentuberkulose. Mit seiner Frau Hedwig Pinkus, Tochter eines wohlhabenden schlesischen Industriellen, geht er daraufhin für einige Zeit ins warme Ägypten, des Klimas wegen, und gilt im Anschluss als geheilt. Sein Schwiegervater wird darüber hinaus dafür sorgen, dass Paul Ehrlich nie wieder finanzielle Not leidet.
Immunitätsforschung
1890 zurück in Berlin, wird er von Koch an das neu gegründete Institut für Infektionskrankheiten berufen. Seine wegweisenden Arbeiten zur Immunitätsforschung und die Zusammenarbeit mit Emil von Behring beginnen. Da dieser jedoch später die von Ehrlich mitentwickelte Entdeckung des Diphtherie-Serums für sich allein proklamiert, entzweit man sich: Ehrlich bricht den Kontakt ab.
Tuberkulin-Skandal
Mit Robert Koch sieht das hingegen anders aus: Paul Ehrlich vergisst seinen wohlmeinenden Mentor nie. Im „Tuberkulin-Skandal“ – das von Koch entwickelte Therapeutikum erweist sich als unwirksam – hält er fest zu ihm. Und er forscht und forscht: Ehrlich entdeckt den „Rezeptor“ an der Zellwand und gibt der neu entstehenden Fachrichtung der Immunologie enormen Auftrieb; er erkennt, dass Tumorzellen über Generationen hinweg immer bösartiger werden.
Ehrlich weist außerdem nach, dass Antikörper über die Muttermilch übertragen werden und er erarbeitet einen Standard für die Herstellung von Impfseren. Seine „Seitenkettentheorie“ stellt außerdem erstmals einen Zusammenhang zwischen Antigen und Antikörper her. Eine von Ehrlichs berühmtesten Entdeckungen ist das Heilmittel „Salvarsan“ (1909).
Lustseuche Syphilis
Dieses erste Chemotherapeutikum der Medizingeschichte wirkt gegen die damals grassierende „Lustseuche“ Syphilis, die über Geschlechtsverkehr übertragen wird und unbehandelt zu einer Zerstörung des zentralen Nervensystems führen kann. Doch da Undank der Welten Lohn ist, wird Ehrlich vorgeworfen, er fördere die „moralische Enthemmung“. Wegen unsachgemäßer Anwendung kommt es bei der klinischen Prüfung zu Todesfällen und das Präparat wird vom Markt genommen.
Heute ist das Paul-Ehrlich-Institut in Langen zuständig für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Als selbstständige Bundesoberbehörde trägt es zudem die Verantwortung für die Zulassung und staatliche Freigabe von Geräten der Medizintechnik sowie für die Genehmigung klinischer Studien der von ihm betreuten Arzneimittel. Sein berühmter Namensgeber stirbt 1915 an einer seiner Leidenschaften: dem übermäßigen Zigarrenkonsum. Er wird nur 61 Jahre alt.
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Alexandra Regner,
PTA und Medizinjournalistin